Kirche Roxförde
St.-Nikolai-Kirche zu Roxförde
Die St.-Nikolai-Kirche zu Roxförde ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts in die Mitte des Dorfes gerückt und hat eine Größe erhalten, die die kleinen Fachwerkkirchen der umliegenden Dörfer übersteigt. Vielleicht war sie in ihrer Zeit eine der modernsten Bauweisen, weil der preußische König Friedrich Wilhelm III. einen Kirchenbau anstrebte, der historisches Erbe fortsetzte und gleichsam in den Weiten des preußischen Landes unter einem Kirchendach einen offenen Dachstuhl anstrebte, der auf tragende Säulen verzichten konnte und den Eindruck von Weite und Erhabenheit vermittelt.
Unter dem Titel: „Wie die Kirche ins Dorf kam“ hat 2017 Frau Reinhild Kretzschmann aus Roxförde eine Publikation veröffentlicht, die die Anfänge der Kirche in Roxförde und das alltägliche Leben des Dorfes und der umliegenden Gemeinden bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts aufarbeitet.
Aber auch der neuen und heutigen Kirche in der Mitte des Dorfes ist eine wechselvolle Geschichte nach ihrer Erbauung beschieden. Die Stürme der Zeit haben sowohl im kirchlichen Leben, ausgelöst durch viele Jahrzehnte kirchenfeindlicher Ideologie, manche Gemeindeglieder vom Leben der Kirchengemeinde entfremdet. Die staatlichen Stellen waren nicht daran interessiert, eine derart imposante Kirche zu fördern oder Materiallieferungen zum Erhalt möglich zu machen.
Auf der anderen Seite gab es Unwetter wie den Orkan des Jahres 1972, der weite Teile des Kirchendaches aufriss und zu massiven Schäden durch das eindringende Wasser führte. Bedauerlicherweise entstand der größte Schaden am Kirchendach auf der Südseite hinter dem Turm und führte zu massiven Schäden an der Orgel.
In dieser verzweifelten Lage wurden Überlegungen laut, die Kirche in staatliche Obhut zu geben. Aber die Vorstellung aus der Kirche könne eine Lagerhalle werden rüttelte engagierte Menschen wach und die Gemeinden besannen sich auf ihre eigenen Kräfte und sammelten vorab Unterstützungszusagen für Geldspenden zum Erhalt der Kirche und setzten ihre eigenen hohen Zusagen an die erste Stelle, um die Motivation zur Unterstützung zu erhöhen. Das erste Wunder von Roxförde konnte seinen Anfang nehmen und mit viel Eigeninitiative wurden Handwerker als Feierabendkolonnen gewonnen und verköstigt. Sie sanierten die Dachkonstruktion und den Turm. Formsteine wurden in Eigenarbeit von Roxfördern mit Hand gefertigt und wer immer etwas zum Gelingen beitragen konnte, legte mit Hand an und unterstützte, wie es ihm möglich war.
Zum 1. Juli 1990 konnte die Kirche wieder genutzt werden.
Pfarrer Gerd Hinke begann mit dem 3. Oktober 1993 seinen Dienst und war erleichtert Roxförde zunächst gut aufgestellt zu wissen und sich für die Sanierung der Letzlinger Schloßkirche und des Pfarrhauses in Letzlingen stark zu machen.
1994 machte uns Kantor Georg-Wilhelm Schulze aus Gardelegen, der als Orgelrevisor die Orgellandschaft der Kirche der Kirchenprovinz Sachsen gut kannte, darauf aufmerksam, dass das Ladegast Positiv der Wallonerkirche in Magdeburg käuflich zu erwerben sei. Der Gemeindekirchenrat nutze die Gunst der Stunde und erwarb die Orgel und der Pastor holte sie mit einem LKW ab. Einige Roxförder standen bereit, um die in vielen Einzelteilen zerlegte Orgel in das Innere der Kirche zu bringen, und die Orgelbauer brachten sie wieder zum Klingen, wo sie vorne rechts vor dem Altar für die Gemeinde sichtbar viele Jahre ihren Dienst tat. Aber mancher in Roxförde drehte sich traurig zur Orgelempore und dachte im Stillen: Ach könnte doch die alte Orgel wieder spielen. Bis dahin sollten noch 10 Jahre vergehen..
Zu Ende der neunziger Jahre wurde das Kirchendach in Tonziegeln neu gedeckt. Um die Kosten zu minimieren legten die Roxförder beim Abdecken selbst mit Hand an und hatten auch den Pastor mit auf dem Dach.
Zehn Jahre nach der Wiedereinweihung der Kirche konnte fast genau auf den Tag am 2. Juli 2000 ein Festgottesdienst zum 10-jährigen Jubiläum gefeiert werden und der Miester Posaunenchor erfreute die Besucher mit seinen Klängen.
Im Zuge gründlicher Bauwerksuntersuchungen wurden Schäden im Fugenwerk des Turmes festgestellt und Turm und Turmdach umfassend saniert. Anschließend erfolgte die Sanierung des kompletten Kirchenschiffes. Inzwischen hatte auch im Inneren der Einbau einer Küchenzeile und einer Toilette zu einer spürbaren Erleichterung der Gemeindeveranstaltungen im Innern beitragen können.
Mit dem November 2003 begannen die Arbeiten zum Abtragen der alten Orgel und ihre Aufarbeitung in der Orgelbauwerkstatt von Orgelbaumeister Jörg Dutschke in Dambeck. Die 837 Pfeifen, verteilt auf 15 Register brauchten eine individuelle Intonierung. Zum Zieltag, dem 13. August 2004 war die Orgel dann wieder fertiggestellt und die Gemeinde konnte sich an ihrem Klang erfreuen. Wie es guter Brauch ist, wird die erste Strophe des Eingangsliedes ohne Orgel gesungen und erst bei der zweiten Strophe setzt die Orgel ein. Viele der Gemeindeglieder konnten sich einer Träne nicht erwehren, so bewegend war dieser Augenblick. Drei Kantoren spielten an diesem Tag an der Orgel: Altkantor Georg-Wilhelm Schulze, Axel Wolter als seinerzeit aktiver Kantor in Gardelegen und Marco Lemme als angehender Organist.
Bischof Axel Noack hielt die Festpredigt und manch dankbares und frohes Wort war beim anschließenden Gemeindefest zu hören. 150 Jahre nach der Weihe der Kirche konnte die Orgel wieder ihren Dienst tun und Matthias Eisenberg, einer der gefragtesten Organisten Deutschlands spielt und verzaubert seine Zuhörer mit seinem Konzertprogramm im September des gleichen Jahres und begeistert mit einer Zugabe mit einer Improvisation zum Choral „Lobet den Herren“ – nun hat die Orgel ihre Probe bestanden.
Seither erklingt die Orgel zu den Gottesdiensten und zu den Konzerten des Musiksommers im Pfarrbereich Letzlingen.
Baulich waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen, schon im Jahr 2004 lösten sich Putzteile von den Wänden und mußten wieder angearbeitet werden. Auch der kritische Blick von Fachleuten im Hinblick auf die offen liegende Holzbalkendecke brachte massive Schäden zutage. Die Kopfenden der meisten Balken waren verfault und ein Abstürzen der Decke wäre nicht auszuschließen gewesen.
Seit 2007 besteht die Ingrid-Wiegand-Stiftung und einige Jahre später wurde auch die Kirche in Roxförde in die Stiftung unter der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz aufgenommen. Nun tragen die Gelder der Stiftung mit zum Erhalt der Kirche bei und dies geschah im Jahr 2015 als die gesamte Innendecke saniert und in großen Teilen den historischen Vorbildern wieder nachempfunden wurde. Mit Hilfe der Zuwendung der Ingrid-Wiegand-Stiftung konnte die Holzdecke denkmalgerecht saniert werden. Die vorigen Hilfskonstruktionen verschwanden, und die farbliche Gestaltung der Erbauungszeit erstand neu.
Im Jahr 2017 fand die Innenausmalung der Kirche statt. Die Stuckelemente wurden wieder ergänzt und ausgebessert und die ursprüngliche Farbfassung konnte vom Restaurator in weiten Teilen der Kirche nachvollzogen werden. Mit diesen Arbeiten im Innern finden die Restaurierungsarbeiten ihren vorläufigen Abschluß, denn ein Bauwerk wie die St.-Nikolai-Kirche braucht ständige Beobachtung und Pflege, damit die Kirche der Ort ist, wo die Gemeinde sich zum Lobe Gottes versammelt und sich stärkt für ihren Weg in der Zeit.
Für das Jahr 2021 ist die Renovierung der Winterkirche unter der Empore geplant.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war die Kirche nun in der Mitte des Dorfes angekommen und das Engagement der Menschen in der Region zeigt, dass sie auch einen Platz im Herzen der Menschen erlangt hat und ihnen viel bedeutet, sodass sie mit Stolz sagen: „Unsere Kirche!“.
Deutlich wird dies unter anderem beim nunmehr seit zwei Jahren stattfindenden Adventsmarkt rings um die Kirche, der wegen seines heimeligen Charakters Besucher aus den Nachbarorten anzieht und mit einer Andacht in der Kirche begonnen wird und die Zeit der Einkehr und Besinnung tut den Menschen in der gedrängten Zeit des Advents wohl.
„Vertraut den neuen Wegen“ dichtete Klaus Peter Hertzsch als Gedicht für die Trauung seines Enkelkindes, später wurde es vertont und fand Einzug als Lied in das Evangelische Gesangbuch. Sein erfrischender Text und der Mut zum Aufbruch in bewegter Zeit hat Menschen Kraft gegeben. Die Zeile: „Wer aufbricht, der kann hoffen, in Zeit und Ewigkeit“ könnten auch symbolisch für Roxförde stehen und eine Kirchengemeinde, die sich ihre Kirche erhält und wertschätzt und versucht, sie mit Leben zu füllen.
Mögen der Kirche in Roxförde allezeit Menschen beschieden sein, die um ihr Erbe wissen und aus Gottes gutem Geist fröhlich und zuversichtlich ihren Weg gehen.
Gerd Hinke, Pfarrer im Pfarrbereich Letzlingen-Solpke
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Disposition der Roxförder Reubke-Orgel
Oberwerk C – f³
Salicional 8’
Flaute Traverso 8’
Gedackt 8’
Floete 4’
Hauptwerk
Mixtur 3f
Octave 2’
Quinte 2 2/3
Octave 4’
Hohlflöte 8’
Principal 8’
Bordun 16’
Pedal C – d’
Offenbaß 8’
Subbaß 16’
Violon 16’